Tagreinigung im Fokus: Stört die Putzfrau?
- 07.04.2020
- Praxis
Ein Artikel von Manfred Godek
Bei Tageslicht sieht man besser und der Körper schüttet das leistungsfördernde Hormon Serotonin aus. Das gilt nicht nur für „Büromenschen“, sondern auch für diejenigen, die für sie sauber machen. Nachtarbeit verdirbt dagegen nicht nur die Laune, sondern zudem den Spaß am Beruf: „Selbst bei übertariflicher Bezahlung wird es immer schwieriger, qualifiziertes Reinigungspersonal zu finden“, berichtet Holger Eickholz, Geschäftsführer des Gebäudedienstleisters Niederberger-Gruppe.
Familienfreundliche Arbeitszeiten seien keineswegs Luxus, sondern dienten vor allem der Qualitätssicherung und dies sogar auf verschiedene Weise. Denn auch die Reinigungsprozesse ließen sich optimieren. Dass sich die Beteiligten nicht begegnen dürften, sei eine „völlig aus der Zeit gefallene Vorstellung“. Durch den direkten Kontakt zwischen unseren Mitarbeitern und denen des Auftraggebers bekämen die ansonsten anonymen Vorgänge „ein Gesicht“. Dies führe erwiesenermaßen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis, zu mehr Wertschätzung und im Ergebnis zu einer deutlich besseren Zusammenarbeit. Messbar sei dies durch eine sinkende Zahl an Reklamationen. Einen weiteren Effekt beschreibt die „ArbeitGestalten“- Beratungsgesellschaft des Berliner Senats: „Verständnis für die Reinigungstätigkeit, damit verbesserte Ausschreibungsprozesse und erhöhte Akzeptanz für Qualitätskriterien bei der Auswahl – im Stört die Putzfrau? Gegensatz zur reinen Preisbetrachtung.“
Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis hierzulande allerdings noch nicht. In Deutschland erfolgen nur rund 15 Prozent der gewerblichen Reinigungsarbeiten tagsüber, vor allem im Einzelhandel, in öffentlichen Gebäuden sowie Kliniken und Heimen. In Bürobetrieben ist der Anteil sogar noch deutlich geringer. In anderen europäischen Ländern liegt er laut Erhebungen des europäischen Dachverbands der Reinigungsbranche zum Teil bei über 50 Prozent. Viele Unternehmen befürchten, dass der Putzmann oder Putzfrau die Mitarbeiter bei der Arbeit störe.
Sukzessive Verlagerung in die Randzeiten
„Durch moderne Informations- und Kommunikationssysteme, etwa für eine Meldung genutzter oder freier Räume oder geräuscharme Geräte, kann man das individuell organisieren“, sagt Holger Eickholz, der für Tagreinigung wirbt. Zudem seien die Fluktuation und der Krankenstand unter den Mitarbeitern deutlich geringer. Vor allem aber ließen sich bei einer stärkeren Nachfrage mehr sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze schaffen.
Ein Einstieg in das Konzept Tagreinigung wäre die sukzessive Verlagerung bestimmter Tätigkeiten von Nacht- in die Randzeiten. Dies hat einen doppelten Effekt. Sie kommt vielen Mitarbeitern entgegen und spart zugleich Nachtzuschläge. Voraussetzung ist natürlich, dass die Reinigungsfirma ihre Mitarbeiter für die „Begegnungen“ – die Kommunikation – mit der „anderen Seite“ schult. Bei der Würth-Gruppe in Künzelsau ist es selbstverständlich, dass Reinigungskräfte tagsüber auf dem Campus reinigen und für die Mitarbeiter sichtbar sind. Geräuschintensive Arbeiten, wie die Pflege von Steinböden mit Aufsitzmaschinen oder Saugen, werden dagegen vor oder nach der Kernarbeitszeit durchgeführt.
Frei von Nachtzuschlägen ist die Büroreinigung in der Zentrale des Arzneimittelherstellers Fresenius in Bad Homburg ab dem späten Nachmittag. „Kurzfristige oder spezielle Reinigungsaufträge während der üblichen Bürozeiten werden durch eine Tageskraft erledigt“, so ein Firmensprecher. Bei Licht betrachtet, erhöht sich die Effizienz auf vielfältige Weise. Auch der Energieaufwand wird geringer und Unternehmen mit Sicherheitsstufen benötigen kein zusätzliches Aufsichtspersonal.