Trends im Einkauf: „Gute Vorsätze endlich mal in die Tat umsetzen“
- 12.01.2022
- Gastkommentar
Und täglich grüßt das Murmeltier ... Wer Ende 2021 keine hinreichende Basis hatte, macht in aller Regel 2022 erstmal in alten Strukturen weiter. Und schon ist wieder wertvolle Zeit verloren. Welche Trends sind im Einkauf zu „reiten“ bzw. was sollte dringend angepackt werden?
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Die Anpassung bringt Arbeit und Aufwand mit sich. Aktuell gibt es zwei dominierende Herangehensweisen seitens der Unternehmen:
A = Wir machen das Nötigste, um keinen „Ärger“ mit den Behörden zu bekommen.
Vorteil: geringstmögliche Kosten.
Nachteil: null Nutzen!
B = Wir nehmen das Gesetz zum Anlass, um unsere Arbeit mit unseren Lieferanten zu verbessern.
Vorteil: Lieferantenauswahl, -bewertung und -entwicklung erreichen ein höheres Niveau; der Einkauf wird zum Manager der externen Wertschöpfung.
Nachteil: etwas höhere Kosten und der „Zwang“ zur selbstkritischen Auseinandersetzung mit seinem aktuellen Tun.
Aber mal ehrlich: Ist das ein Nachteil? Nehmen Sie das Gesetz zum Anlass, um Prozesse selbstkritisch zu hinterfragen und die Zusammenarbeit mit Externen zu verbessern.
Versorgungssicherheit
Die Erhöhung der Versorgungssicherheit und Stabilität der Lieferketten wird 2022 im Vordergrund stehen. Wichtig ist nun für Einsteiger in Sachen Tools, das Wesen und Tun der eigenen Tier-1-Lieferanten zu analysieren. Und wer das hinreichend beherrscht, muss asap die vorgelagerten Tiers durchdringen. Dazu gehört eine umfassende Qualifizierung alternativer Quellen, um Abhängigkeiten zu reduzieren und die Flexibilität zu erhöhen.
Oberstes Ziel: Herstellung von mehr Flexibilität und Agilität in der Beschaffung.
Preise
Die Flexibilisierung der Preise wird in Abhängigkeit von Rohstoffpreisentwicklungen gravierend zunehmen. Der gute alte Jahresfestpreis wird uns weitestgehend verlassen. Index-basierte Preise sind auf dem Vormarsch, und sie sind für Lieferanten und Kunden die attraktivere Alternative. Nur so kann der Lieferant preisaggressiv anbieten, und nur so entfällt im Einkauf das spekulative Element.
Weitere Trends
Lieferantenbewertung erfolgt mit Hilfe von in BI-Tools (Business Intelligence), die alle notwendige Kriterien für eine Lieferantenbewertung zusammenführt – inklusive der Nachhaltigkeitskriterien. So kann der Einkauf seine Lieferanten mittels eines Tools umfassend strategisch steuern.
Nachhaltigkeit wird zu einem wesentlichen Kriterium des Risikomanagements. Auch dabei gilt es auf BI zu setzen.
360-Grad-Blickwinkel. Es gilt eine Gesamtbetrachtung über Gefährdungen und Gegenmaßnahmen herzustellen. Nochmal: Die herkömmliche Tier-1-Betrachtung reicht nicht mehr – Ungemach droht vielfach aus der schwer zu orchestrierenden Riege der weltweit agierenden Sublieferanten. Der Einkauf muss eindeutige Ansagen machen können. Früher oder später wird er von Verfehlungen von Zulieferern in die Verantwortung genommen. Also: Transparenz ist oberstes Ziel. Definieren Sie auch proaktiv eine Worst-Case-Strategie mit Maßnahmen zur Krisenkommunikation.
Audits. Führern Sie Audits – wo machbar – digital durch. Stichwort: Datenbrillen/Augmented Reality. In Zukunft werden Fachkräfte eh nicht mehr in alle Welt ausschwärmen (können).
Bei wichtigen Rohstoffen werden künftig Chart-Techniken zum Einsatz kommen, um Beschaffungszeitpunkte zu optimieren.
In Sachen China ist sind Datenbrillen schon heute angezeigt. Gehen Sie davon aus, dass erst 2023 der gar 2024 wieder Reisen dorthin möglich sind.
Und: Faktor „Indirekt“. Vergessen Sie bei allen Ad-hoc-Anforderungen und Bemühungen um Strategie-Implementierung die operativen Hausaufgaben nicht: das sind z.B. die indirekten Materialien. Wie viel Geld Ihr Einkauf hier tatsächlich verbrennt, bekommen Sie in der Regel ohne adäquates E-Tool nicht mit. Solche Lösungen sorgen für Disziplin und Compliance. Richtig angewandt, können Sie damit Ihr EBIT signifikant positiv beeinflussen.
• Weitere Stichworte bzw. Handlungsfelder, die 2022 in Einkauf und Logistik auf die Agenda gehören: Benchmarking, Big Data und KI, Bots (etwa im Bestellprozess), digitaler Zwilling, E-Rechnungen (auch XRechnung), Emissionstracking, Kreislaufwirtschaft, Logistikplattformen, Materialkostenquote, Spend-Analyse, Spot-Märkte, Stammdaten (veredeln!), Stückkosten, Paletten, Rampenproblematik, Risikomanagement, Task Forces, Verpackungen, vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), Warengruppenstrategie etc. Und nicht zu vergessen: New Work, Change Management, Führungsstil.
Dort, wo der Einkauf – gut eingebunden in die Gesamtorganisation – die beschriebene genannte Klaviatur bespielt, wird er einer der, wenn nicht sogar der entscheidende Player sein, der den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sichert. Sonst wird er zum Anhängsel einer überforderten Operations.