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Kommunen haben viel Gewicht

ICLEI ist ein weltweites Netzwerk von über 1200 Kommunen, die sich der nachhaltigen Entwicklung verschrieben haben. Franziska Singer beantwortet unsere Fragen und stellt unter anderem das Schulungsprojekt „Landmarken setzen“ vor.

Franziska Singer, ICLEI, Project Officer, Sustainable Procurement
Franziska Singer, ICLEI, Project Officer, Sustainable Procurement

Was ist denn ICLEI genau?

ICLEI ist ein weltweites Netzwerk von über 1200 Kommunen, die sich der nachhaltigen Entwicklung verschrieben haben. Der Verband vertritt die Interessen von Städten und Gemeinden innerhalb der Vereinten Nationen und anderen Foren der internationalen Politik und ist eine Bewegung, die auf globaler Ebene durch Programme und Kampagnen lokale Nachhaltigkeit vorantreibt. Außerdem bietet ICLEI Ressourcen wie Informationen, Tools und Schulungs- und Beratungsleistungen. ICLEI begann mit der Idee, dass eine einzelne Gemeinde einen erheblichen Einfluss hat. Auf globaler Ebene kann die kumulative Wirkung lokaler Aktionen viel bewegen. ICLEI wurde 1990 als „International Council for Local Environmental Initiatives“ gegründet, als 200 Kommunen aus 43 Ländern bei ihrer Gründungskonferenz bei den Vereinten Nationen in New York zusammen kamen. Im Jahr 2003 wurde die Organisation „ICLEI – Local Governments for Sustainability“ und übernahm ein umfassenderes Mandat.

Welche Ziele hat man sich gesetzt?

ICLEIs Aufgabe besteht darin, eine weltweite Bewegung von Kommunen aufzubauen und zu unterstützen, um eine spürbare Verbesserung der weltweiten Umweltsituation und der globalen Zukunftsfähigkeit durch die kumulative Wirkung konkreter Maßnahmen vor Ort zu erzielen. Es wird angestrebt, dass Kommunen erweiterte Befugnisse bekommen, und bei UN-Prozessen wie den Rahmenkonventionen zu Klimawandel und Artenvielfalt vertreten werden. ICLEI unterstützt seine Mitglieder dabei, nachhaltige Städte, Gemeinden, Landkreise und Regionen zu werden, auch mit radikalen Lösungen. Der Kern unserer Aktivitäten konzentriert sich auf die Themen, die zum Wandel am meisten beitragen. Dazu gehören Klima, Luft, Biodiversität, Wasser und Lebensmittel, kommunales Nachhaltigkeitsmanagement, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Beschaffung, lokale Agenda und soziale Entwicklung.

Wer ist schon dabei und was hat eine Kommune davon ICLEI-Mitglied zu werden?

Über 1200 Städte weltweit, in Europa aus rund 30 Ländern, von Armenien bis Zypern. In Deutschland sind neben Großstädten wie Hamburg, Berlin und Bonn auch kleinere Kommunen wie Wedel, Bietigheim-Bissingen und Kaufbeuren vertreten. ICLEI verbindet die Mitglieder untereinander und mit anderen relevanten Akteuren, wie beispielsweise der Privatwirtschaft und der Wissenschaft. ICLEI bietet seinen Mitgliedern Zugang zu Lösungen, hilft bei der Entwicklung von Visionen und unterstützt verschiedene Aktionen vor Ort. Mitglieder genießen eine Reihe von Vorteilen. Sie sind Teil einer internationalen Bewegung von Kommunen, die auf Nachhaltigkeit hinarbeiten. Sie haben die Möglichkeit, sich an länderübergreifenden Forschungsvorhaben, an Pilot- und Weiterbildungsprojekten zu beteiligen und erhalten kostenlos sämtliche ICLEI-Publikationen (Leitfäden, Handbücher, Berichte etc.). Mitgliedsstädte erhalten darüber hinaus Ermäßigungen bei Konferenzen, Seminaren und Kursen, die ICLEI veranstaltet und tragen bei internationalen Institutionen wie der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen Formulierung und Vertretung kommunaler Positionen bei. Letztendlich geht es um die Unterstützung des gemeinschaftlichen Engagements.

Stichwort „SMART SPP“-Projekt – worum geht es dabei genau?

Im EU-geförderten Projekt „SMART SPP – Innovationen durch nachhaltige öffentliche Beschaffung fördern“, geht es um die Erhöhung der Energieeffizienz durch innovationsorientierte öffentliche Beschaffung. Ein Grundelement von SMART SPP ist die rechtskonforme Einbindung des Marktes im Vorfeld einer Ausschreibung zur Identifizierung der innovativsten, kosteneffektivsten und energieeffizientesten Lösungen. Hierzu wurde ein praxisorientierter Leitfaden entwickelt und verschiedene praktische Erfahrungen, durch die teilnehmenden Städte und öffentlichen Einrichtungen Barcelona (Spanien), Cascais (Portugal), Kolding (Dänemark), des Londoner Bezirks Bromley und die „Eastern Shires Purchasing Organisation“ (ESPO) gesammelt. Die Ergebnisse wurden in einer Fallstudienpublikation und einer Videodokumentation festgehalten. Ein weiteres Ergebnis aus dem Projekt ist ein Excel-basiertes Tool, das zur Berechnung von Lebenszykluskosten und CO2-Emissionen vor, im und nach dem Beschaffungsprozess eingesetzt werden kann. Dieses wird nun im Rahmen des Projektes „Landmarken setzen“ weiterentwickelt.

Kommunikation und Weiterbildung in puncto Nachhaltige Beschaffung im kommunalen Bereich wird bei ICLEI großgeschrieben.
Kommunikation und Weiterbildung in puncto Nachhaltige Beschaffung im kommunalen Bereich wird bei ICLEI großgeschrieben.

Welche Rolle wird das Thema Lebenszykluskosten vs. Einkaufspreis künftig in der öffentlichen Beschaffung spielen und zu welchen Veränderungen des Einkaufsverhaltens wird das führen?

Es ist sehr schwierig, hierzu eine stichhaltige Prognose abzugeben. Der Trend sowohl auf nationaler als auch EU-Ebene geht dahin, die Einbeziehung von Lebenszykluskosten im öffentlichen Einkauf zu fördern und zu fordern. Neben der Kostenersparnis und Emissions-Verringerung durch höhere Energieeffizienz wird auch ein positiver Effekt für die Innovationskraft der Wirtschaft erwartet. Die Hürden bei der Aufnahme von Lebenszykluskosten in der öffentlichen Beschaffung liegen neben der höheren Komplexität des Prozesses auch daran, dass meist die eine Hand einkauft und die andere Hand die Folgekosten der Nutzung zu tragen hat (Beispiel Gebäude). Die Vorteile eines geringeren Verbrauchs, weniger Wartungskosten und einer längeren Haltbarkeit und Verfügbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sind somit häufig an anderer (Kosten-) Stelle wirkungsmächtig, als der erzielte Einkaufspreis. Die Vorteile im Bereich der mittelfristigen Kostenersparnis, insbesondere bei verbrauchsintensiven Produkten und Dienstleistungen, überwiegen. Handlungsbedarf besteht auch deshalb, weil die Europäische Union vermehrt die Lebenszykluskostenberechnung verpflichtend vorschreibt (wie in der Umsetzung zur Richtlinie 2009/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge geschehen).

Welche weiteren Aktivitäten unternimmt ICLEI, um die umweltfreundliche öffentliche Beschaffung zum Beispiel in Aus- und Fortbildung zu verankern?

Das Projekt „Landmarken setzen“ bietet ein maßgeschneidertes und nutzerorientiertes Schulungskonzept für Lehrkräfte und Lehrplanverantwortliche von Verwaltungsakademien (Train-the-trainer-Seminare). Mit Blick auf die Bereiche Ökologie und Ökonomie wird darüber informiert, welche Möglichkeiten das aktuelle Vergaberecht der öffentlichen Hand bereits bietet, um umweltfreundlich einzukaufen. Dabei wird auch auf aktuelle Methoden zur integrierten Lebenszykluskosten- und CO2-Emissionsberechnung eingegangen. Der im SMART-SPP-Projekt entwickelte Rechner wird hier deutschsprachig und als Online-Version weiterentwickelt. Zusätzlich organisieren wir im Rahmen dieses Projektes regionale Vernetzungstreffen für öffentliche Beschaffer in Nord-, Süd- und Mitteldeutschland, um sich über die vielfältigen positiven Erfahrungen bei der Umsetzung umweltfreundlicher öffentlicher Beschaffung auszutauschen. Das nächste Treffen ist am 1. Dezember in München, es sind noch Plätze frei! Das Projekt wird vom Umweltbundesamt (UBA) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gefördert und von ICLEI und dem Öko-Institut e.V. durchgeführt. Die „Procura+“ ist eine europaweite Kampagne, die zum Ziel hat, Behörden und öffentliche Einrichtungen in ganz Europa bei der Umsetzung nachhaltiger Beschaffung und bei der Bewerbung ihrer Arbeit zu helfen. Die Kampagne wurde im Jahr 2004 von ICLEI ins Leben gerufen. Das Ziel der Kampagne ist es, eine bedeutende Zahl von öffentlichen Einrichtungen dazu zu bewegen, ökologische und soziale Kriterien in ihre Beschaffungspolitik und in ihre Ausschreibungen aufzunehmen. Dadurch lässt sich der Markt für kosteneffiziente umwelt- und sozialverträgliche Produkte und Dienstleistungen ankurbeln. Mitglieder in Deutschland sind Hannover und Regensburg.

www.iclei-europe.org, www.procuraplus.org/de, www.smart-spp.eu

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