Gender-Arbeitsplätze: Schreibtische voller Klischees
- 29.06.2015
- Markt
Rund hundert Designstudenten fotografierten 686 Bürotische weltweit: in Auckland, im indischen Pune, in Taipeh, Hongkong, Kairo, Mailand oder Köln. Als Seminarthema an der Kölner International School of Design nahm die Idee ihren Anfang. Ein Teil der insgesamt 10 000 Fotos ist in dem Buch "My Desk is my Castle" abgedruckt – einen kleinen repräsentativen Ausschnitt können wir hier präsentieren. Uta Brandes beschreibt ihre Motivation für die Studie folgendermaßen: "Durch meine vielen Reisen in andere Länder, insbesondere Asien, stellte ich fest, dass dort die Büroschreibtische vollkommen anders aussehen: voller, kleiner, mehr Privates ... also beschlossen wir, das interkulturell und systematisch zu untersuchen."
Die Professorin mit dem Fachgebiet "Gender and Design" ging zunächst davon aus, dass die Schreibtische je nach Kulturkontext unterschiedlich sein würden, was sich auch als richtig herausstellte. "Doch dass die Gender-Differenz so enorm war und sich durch alle Kulturen ähnlich durchzog", damit hatte sie selbst nicht gerechnet. "Ein wenig bedenklich stimmte mich, dass die Schreibtische sehr häufig den Geschlechterstereotypen entsprachen: Schreibtische von Frauen sind häufig von Pastellfarben geprägt, es gibt Kosmetik- und Hygieneprodukte und eher zweidimensionale Dinge, wie etwa Fotos von Kindern."
Die kulturellen Unterschiede sind allerdings auch bemerkenswert: Welcher Westeuropäer könnte sich wohl vorstellen an solch überladenen Schreibtischen, wie etwa in unserem Beispiel dem Hongkonger Design-Büro, zu arbeiten? Und andersherum wundert sich sicher so mancher chinesische Mitarbeiter, wie sich Europäer in solch karger Umgebung, wie dem Kölner Callcenter, wohlfühlen und arbeiten können.
Für Unternehmen besteht also eine wichtige Herausforderung darin, Mitarbeitern ein großes Maß an Individualität zu erlauben, ohne den gemeinsamen Unternehmensweg aus den Augen zu verlieren. Dieser Individualisierungstrend findet sich auch in der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort wieder. So ergab etwa die Studie "Bewerbungspraxis 2015" des Centre of Human Resources Information Systems der Uni Bamberg im Auftrag des Recruiting-Portals Monster, dass 85,9 Prozent der Befragten der Generation Y flexible Arbeitszeitmodelle bevorzugen. Etwa jeder Zweite würde sogar ein Jobangebot ablehnen, wenn es nicht die Möglichkeit bietet, von zu Hause aus zu arbeiten.
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden rät Uta Brandes Einkäufern bei der Beschaffung von Schreibtischen über alle Geschlechterdifferenzen hinweg auf folgendes zu achten: "Menschen beiderlei Geschlechts brauchen eine gewisse Freiheit und die Möglichkeit, sich den Schreibtisch zu individualisieren, ein wenig heimatlich zu gestalten. Und sie brauchen Schmuddelecken, wo sie ihr Zeug verstauen können. Also: Der Schreibtisch oder die Ablagen drum herum sollten das erlauben, ohne dass allerdings alle ihre Schreibtische so einrichten können, wie sie es wollen. Denn eine Corporate Identity muss erhalten bleiben. Deshalb ist es vielleicht hilfreich auf intelligente Abschirmsysteme zu setzen."