"Tue Gutes und rede davon" – der Einkauf im Wandel
- 10.09.2014
- Einkauf
Die Beschaffung erhält innerhalb der Unternehmen immer mehr das verdiente Gewicht. Doch oft ist für andere Abteilungen das Aufgabengebiet immer noch schwer fassbar. Dass der Einkauf selbst zu einem guten Renommée beitragen und das Verständnis für seine Anliegen in anderen Abteilungen fördern kann, zeigt der folgende Erfahrungsbericht unseres Gastautors Ron Bertolla.Als Leiter Einkauf höre ich leider oft Aussagen wie „was machen die überhaupt, die sind ja immer nur zum Essen eingeladen, Messebesuche sind Schulreisen, und die erhalten ja immer nur Weihnachtsgeschenke etc.“. Um diese Vorurteile abzubauen und die Mitarbeitenden vom Gegenteil zu überzeugen, ist tägliche Arbeit nötig. „Tue Gutes und rede davon“ ist ein elementarer Baustein, um in einen positiven Wirkungskreis zu gelangen. Dies ist umso wichtiger, weil jeder Rappen oder Euro den die Firma nicht ausgeben muss, effektiv in der Brieftasche übrigbleibt und für wichtige Projekte investiert werden kann.
Der Weg zum Glück über den Erfolgskreislauf
Wenn wir es erreichen, dass unsere Kunden zufrieden sind, dann wird der Gesamteindruck (Image) des Einkaufs innerhalb der Unternehmung steigen. Wenn die Kunden wissen, dass der Einkauf sich bemüht, dann werden Einkäufer auch bei den verschiedenen Projekten innerhalb der Firma besser integriert. Dies führt zu Verbesserungen und Einsparungen, was wiederum einen positiven Effekt für den Unternehmenserfolg bringt. Damit werden die Vorgaben eingehalten oder sogar übertroffen. Die freien Mittel kann die Unternehmung dann zum Beispiel in eine nachhaltige Personalentwicklung investieren. Dies führt zu qualifizierten Mitarbeitern, was wiederum hilft, die hohe Performance zu halten respektive zu steigern. Somit sind auch die Kunden zufrieden, und der Kreislauf beginnt von vorne. Wenn wir Einkäufer es schaffen, unser Tun in diesen Kreislauf zu integrieren, stellen wir dadurch auch für das Unternehmen einen Mehrwert dar.
Praxisbeispiel
Nach einer Einführungsphase innerhalb der Unternehmung habe ich mich zusammen im Team anhand eines Workshops ausgetauscht, um die weiteren Schritte zu planen. Als Basis für einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben wir eine SWOT-Analyse durchgeführt. Zuvor wurden dabei auch die Kunden innerhalb der Biella über die Abteilung befragt, um ergänzend eine externe Sichtweise zu erhalten. Die Aussagen wurden fünf Kategorien zugeordnet, um zu sehen, wo die Hebel anzusetzen sind. Ziel ist es, die „Stärken“ zu erhalten oder auszubauen und gleichzeitig die Verbesserungspunkte in positive Werte umzusetzen.
Monatlicher Infoflyer „1-Kauf“
Dazu haben wir sechs Schwerpunkte definiert und mit einem Terminplan versehen. Ein sehr wichtiger Punkt war die Tatsache, dass wir zwar innerhalb des Teams sehr gut kommunizieren, aber unsere internen und externen Kunden zu wenig wahrnehmen konnten, an welchen Aufgaben/Projekten wir arbeiteten. Um diese Kommunikationslücke zu verbessern, hatten wir entschieden, ein monatliches Flugblatt zu erstellen, mit dem wir über die Einkaufsaktivitäten und -projekte informieren.
Wir wollen informieren über:
- die aktuelle Marktsituation mittels Procure Purchasing Manager Index (PMI)
- wichtigste Kennzahlen des Einkaufs
- wichtigste Preisreduktionen, respektive Preisaufschläge
- Status Quo des Faktors Qualität (Beanstandungen)
- Entwicklungen und Trends bei Edelmetallen, Währungen, Rohmaterialien
- Neuigkeiten aus den verschiedenen Einkaufsgebieten
Der Flyer soll maximal vier A4-Seiten umfassen und knackig zu lesen sein, nach dem Motto „Tue Gutes und rede davon“. Die Feedbacks waren überwältigend, ohne dass wir unsere Tätigkeiten komplett verändert hatten, sondern wir hatten transparenter informiert und unsere Kunden dadurch besser sensibilisiert. Bis heute nehmen wir die Feedbacks ernst und integrieren sie nach Möglichkeit in den Flyer.
Regelmäßiger Wissenstransfer
Ein weiterer Schwachpunkt lag beim Know-how innerhalb des Einkaufs. Bis heute sind die Mitarbeitenden nach Warengruppen eingeteilt. Entsprechend kannte sich jeder in den eigenen Warengruppen sehr gut aus und hatte sich in den vergangenen Jahren ein gutes Wissen angeeignet. Da aber der Austausch zu anderen Bereichen fehlte, kam es bei Abwesenheiten zu Wissenslücken. Daher führen wir jetzt alle zwei bis drei Wochen ein Know-how-Transfer-Meeting innerhalb des Einkaufs durch. Jeder Mitarbeiter stellt dabei den anderen Teammitgliedern einen Teil seines Einkaufsbereichs vor. Dabei wird auch ein Datenblatt erstellt und archiviert, welches die wichtigsten Punkte über die jeweiligen Gebiete enthält. Dies sind zum Beispiel: Hauptlieferant, Alternativen, Einkaufsvolumen, Artikelbezeichnungen, Eigenschaften, Dispositionshinweise, Zahlungsbedingungen. Haben alle Mitarbeiter ihre Präsentation durchgeführt, beginnt der Turnus erneut mit einem neuen Bereich, und die Wissensspirale beginnt, sich stetig zu verbessern. Mit dieser an sich simplen Maßnahme konnten wir viele neue, interessante Themen aufarbeiten und vertiefen. Merkmale, die früher lediglich im Gedächtnis der Mitarbeiter existiert hatten, werden mit diesem Konzept nun schriftlich festgelegt. Als Link stellen wir diese Datenblätter auch in dem monatlichen Flyer vor und können damit auch Mitarbeiter außerhalb des Einkaufs informieren.
Weitere Maßnahmen sind neben einer einheitlichen Ablage der E-Mails innerhalb der Dokumentstruktur auch die Verbesserung der Stammdatenqualität, die Definition der wichtigsten Listen und Reports sowie der Aufbau einer Lieferantenbewertung. Die Maßnahmen und Erfolge wurden im Team gemeinsam erarbeitet, was maßgeblich dazu beigetragen hat, dass alle am gleichen Strang gezogen haben. Durch den Austausch in der Gruppe sind außerdem viele neue Ideen entstanden, und diese Kreativität hat sich auch innerhalb der Unternehmung herumgesprochen. Wir konnten damit sogar andere Unternehmensbereiche anspornen und motivieren.
Erstmals veröffentlicht in „Beschaffungsmanagement“, Ausgabe 11/13, www.procure.ch