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Die Planetary Health Diet (PHD) betrachtet die Dimensionen Gesundheit, Soziales, Tierwohl und Umwelt im weltweiten Kontext und zielt auf eine globale Referenzernährung, die auf pflanzenbasierte Ernährung und wenige tierische Produkte setzt.
Die Planetary Health Diet (PHD) betrachtet die Dimensionen Gesundheit, Soziales, Tierwohl und Umwelt im weltweiten Kontext und zielt auf eine globale Referenzernährung, die auf pflanzenbasierte Ernährung und wenige tierische Produkte setzt. (Bild: oto: KatarzynaBialasiewicz / iStock / Getty Images)

Planetary Health Diet: Wenn globale Krisen auf unseren Tellern zusammenkommen

Was hat Außer-Haus-Gemeinschaftsverpflegung (AHV) mit Klimawandel, Artensterben und globaler Verantwortung zu tun? Bei der Fachtagung „Global produziert – lokal beschafft“ des Eine Welt Netz NRW, diskutierten Caterer, kommunale Mitarbeiter:innen, Wissenschaftler:innen und andere Interessierte über diese Fragestellung. Svenja Bachran und Jürgen Sokoll vom Projekt „Global produziert, lokal beschafft“ berichten.

Das entwicklungspolitische Landesnetzwerk richtet den Blick auf die weltweite Vernetzung unserer Ernährung, die neben gesundheitsfördernden und ökologischen Faktoren, Teil eines nachhaltigen Ernährungssystems ist. Denn weiterhin finden Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung und Kinderarbeit auf Plantagen statt, bevor die Lebensmittel auf unseren Tellern landen. Kleinbäuerliche Strukturen im Globalen Süden geraten zunehmend in Bedrohung, u.a. durch schwankende Weltmarktpreise, dem weltweiten Klimawandel und Artensterben.

Steigenden Zahlen von hungernden und an Nährstoffmangel leidenden Menschen stehen weltweit circa zwei Milliarden Menschen gegenüber, die an Übergewicht leiden, was wiederum mit ernährungsbedingten Krankheiten, wie Diabetes oder Bluthochdruck, in Zusammenhang steht. Die öffentliche Hand und Unternehmen sind wichtige Akteure um Ernährung klimafreundlich, ökologisch und fair zu gestalten. Mit ihren tausenden Außer-Haus-Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen (AHV) in Schulen, Kitas und Kantinenbetrieben können sie marktgestaltend für ein nachhaltiges Ernährungssystem wirken.

Praktiker:innen raten Kantinenbetreibern dazu, „einfach“ anzufangen mit der Umstellung: schon kleine Veränderungen haben einen großen Einfluss.
Praktiker:innen raten Kantinenbetreibern dazu, „einfach“ anzufangen mit der Umstellung: schon kleine Veränderungen haben einen großen Einfluss. (Bild: michaeljung / iStock / Getty Images)
Wachsende Krisen, wachsende Population

Bereits 2001 veröffentlichte John Rockström das mit dreißig weiteren Wissenschaftlern entwickelte Konzept der planetaren Belastungsgrenzen. Danach sind die ökologischen Belastungsgrenzen beim Klimawandel, dem Verlust der Artenvielfalt und des Phosphor- und Stickstoffkreislaufs weit überschritten. Eine wesentliche Ursache dafür ist das globale Ernährungssystem, das heißt die Verarbeitung, der Transport und Vertrieb, bis hin zum Konsum und der Entsorgung der Abfälle unser Lebensmittel. Doch wie können wir die für das Jahr 2050 prognostizierten zehn Milliarden Menschen auf der Welt ernähren, dabei die Belastungsgrenzen einhalten und gleichzeitig alle Menschen weltweit gesund ernähren?

Eine mögliche Antwort legte 2019 die interdisziplinäre, internationale EAT-Lancet Kommission, bestehend aus 37 Wissenschaftler:innen, mit dem Konzept der Planetary Health Diet (PHD) vor. Die PHD betrachtet die Dimensionen Gesundheit, Soziales, Tierwohl und Umwelt und das im globalen Kontext. Eine Kernaussage ist die deutliche Reduzierung des Konsums von Fleisch, Fisch und tierischen Produkten. So sieht die PHD eine pflanzenbasierte Ernährung vor, bei der Früchte und Gemüse im Mittelpunkt stehen, ergänzt um Nahrungsmittelgruppen, wie Getreide, pflanzliche Proteine und pflanzliche Öle.

Der Speiseplan wurde so entwickelt, dass er weltweit funktioniert und lokal angepasst werden kann. Durch die flexitarische Ernährungsweise würden ernährungsbedingte Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herzerkrankungen sinken und gleichzeitig bis zu 50 Prozent der jetzigen Treibhausgase eingespart. Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) stimmen bei der Forderung nach mehr pflanzenbetonter Ernährung grundlegend mit der Planetary Health Diet überein. Der wichtigste Unterschied besteht aber darin, dass die Orientierungswerte sich auf die Ernährungsgewohnheiten Deutschlands fokussieren, während die PHD eine globale Referenzernährung darstellt.

Svenja Bachran, Projektreferentin „Global produziert, lokal beschafft – Schwerpunkt Außer-Haus-Gemeinschaftsverpflegung“ und Jürgen Sokoll, Fachpromotor für Fairen Handel und nachhaltiges Wirtschaften und Projektleitung „Global produziert, lokal beschafft
Svenja Bachran, Projektreferentin „Global produziert, lokal beschafft – Schwerpunkt Außer-Haus-Gemeinschaftsverpflegung“ und Jürgen Sokoll, Fachpromotor für Fairen Handel und nachhaltiges Wirtschaften und Projektleitung „Global produziert, lokal beschafft“ (Bild: Melissa Harrenkamp)
Innsbrucker Pilotprojekt

Die Professorin Johanna Huber der Pädagogischen Hochschule Tirol hat erste Schritte in ihrem Pilotprojekt „Die Pädagogische Hochschule is(s)t Planetary Health“ erfolgreich umgesetzt und diese bei einer Fachtagung des Eine Welt Netz NRW vorgestellt: Nach einer Status-Quo-Analyse wurden die meistgekauften Produkte mit all ihren Komponenten aufgeschlüsselt. Es wurden neue Rezepturen entwickelt, die den Vorgaben der PHD entsprechen und anpassungsfähig sind.

Huber ist es wichtig, alte Zutaten nicht durch eine vegetarische Alternative oder „Bio-Alternative“ auszutauschen. Daher wurden Aufstriche entwickelt, die den Geschmack der Hauptkomponente unterstreichen und entsprechend intensiver schmecken. Die Hochschule arbeitet eng mit dem Hochschul-Caterer und Lehrkräften der Praxis-Mittelschule zusammen, bietet Schulungen an und integriert das Thema in anderen Schulfächern. Die Professorin möchte die Bemühungen ausweiten und angebotene Warmspeisen so wie das Konzept der Snackautomaten im Sinne der PHD verändern.

Und jetzt Sie!

Um eine nachhaltige Verpflegung in Kantinen und Mensen umzusetzen, benötigt es vier Dimensionen: Wissenschaft, Praxis, Politik und Zivilgesellschaft. Praktiker:innen raten den Betreibern Bild: Melissa Harrenkamp einfach anzufangen. Schon kleine Veränderungen können leicht umgesetzt werden und haben einen großen Einfluss. Man sollte sich nicht von möglichen Skeptiker:innen abbringen lassen, sondern sich stattdessen auf Unterstützer:innen fokussieren. Wer auf Netzwerke setzt und bestehende und erprobte Konzepte nutzt, erleichtert sich die Sache sehr. Empfehlenswert ist die Initiative der „BioMentoren“, bei denen u.a. Thomas Voss, Kaufmännischer Direktor der LWL-Kliniken Lengerich und Münster, Mitglied ist. In den vergangenen Jahren konnten hier beachtliche Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit erreicht werden: etwa regionale Produkte, erhöhte Verwendung von biozertifiziertem Fleisch und Eiern, pflanzenbasierten Menülinien, Fairtrade Kaffee/Tee und Mehrwegboxen.

Bei den BioMentoren können Unternehmens- und Betriebskantinen besucht werden, um einen Einblick zu erhalten. Auch von richtungsweisenden Kommunen gibt es bereits viele Beispiele. Die Städte Dortmund, Regensburg, Berlin oder Dormagen machen vor, wie es fair gehandelte Produkte in Kitas, Schulen und anderen AHV-Bereiche schaffen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Ernährungsräte oder die Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung helfen mit Erfahrungen, Kontakten und Beratungen. Fachwissen findet sich in der Wissenschaft. Das iSuN Münster oder die DGE erarbeiten regelmäßig in Zusammenarbeit mit Küchenleitungen und -Personal Praxisleitfäden oder Rezeptsammlungen, die eine Umsetzung erleichtern.

Um Kolleg:innen zu überzeugen, empfiehlt sich beispielsweise die Lektüre „Gute Gründe für eine nachhaltige Beschaffung“ von weed e.V. Neben zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bemühungen darf es an politischen Rahmenbedingungen nicht fehlen. Es besteht eine hohe Notwendigkeit der Unterstützung, Beratung und der Einrichtungen von Bildungsangeboten für die Verpflegenden. Das kann nur durch eine weitreichende Ernährungsstrategie erreicht werden, die eine Änderung in der landwirtschaftlichen Nutzung, sowie regionale Vermarktungsstrategien beinhaltet.

Nachhaltige Ernährung ist bezahlbar

Unternehmen und Kommunen stellen sich bei steigender Inflation und Lebensmittelpreisen die Frage, wie sie ihr Angebot möglichst kostenneutral umstellen können. In den LWL-Kliniken machen die Ausgaben für Lebensmittel laut Thomas Voss weniger als zwei Prozent der Gesamtkosten der Verpflegungsleistung aus. Durch ein intelligentes Abfallmonitoring konnten Kosten eingespart werden, die wiederum die Nutzung von Bio- und Fairtrade Produkten möglich machen. Nudging-Mechanismen und regelmäßige Patientenbefragungen begleitet von universitären Projektparterschaften erhöhen die Akzeptanz der Konsumierenden. In der Pädagogischen Hochschule Tirol konnte die „konventionelle Salami“ durch eine regionale Salami aus artgerechter Haltung und ohne industrielle Zusätze ausgetauscht werden, von der, durch ihr intensives Aroma, nur eine Scheibe benötigt wird, statt der üblichen zwei.

Das Preiskriterium für eine nachhaltige Verpflegung in den Einrichtungen sollte nicht das einzige Argument sein. Nicht nur, weil „Essen ein Imagefaktor ist“, wie Thomas Voss sagt, sondern weil auch Unternehmen und öffentliche Einrichtungen gesellschaftliche Verantwortung zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Wirtschaft tragen. Mit 1700 Mitgliedern ist das Eine Welt Netz NRW das größte landesweite Netzwerk für entwicklungspolitische Organisationen und Engagierte in Deutschland. Svenja Bachran und Jürgen Sokoll arbeiten im Projekt „Global produziert, lokal beschafft” mit dem Schwerpunkt Außer-Haus-Gemeinschaftsverpflegung. Das Projekt wird von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt mit Mitteln des BMZ gefördert und läuft 2023 aus.

www.eine-welt-netz-nrw.de

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