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Risiko Herzinfarkt

Der Krankenstand stieg 2011 auf 3,6 Prozent. Er liegt damit so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Herbert Rebscher, Chef der DAK-Gesundheit erklärt den Trend.

Bei der Entwicklung des Krankenstandes zeigen sich über alle Branchen hinweg bereits die ersten Anzeichen des demografischen Wandels“, kommentiert er den Trend. „Die Belegschaften sind schon heute durchschnittlich älter als vor zehn Jahren. Ältere Mitarbeiter sind seltener krank als Jüngere, dafür aber deutlich länger“. Rebscher prognostiziert, dass aufgrund der Demografie der Krankenstand auch in den nächsten Jahren beschleunigt steigen wird, wenn Unternehmen nicht durch Prävention gegensteuern. Erst kürzlich hatte die Bundesagentur für Arbeit gemeldet, dass der Anteil der 60- bis 65-Jährigen an allen Erwerbstätigen sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht hat.

Ungebrochen ist auch der Trend bei den psychischen Erkrankungen: Im vergangenen Jahr stieg ihr Anteil von 12,1 auf 13,4 Prozent am Gesamtkrankenstand. Damit hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren der Anteil dieser Krankheitsgruppe am Krankenstand mehr als verdoppelt. Depressionen & Co machen heute knapp ein Siebtel des gesamten Krankenstandes aus. „Die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung bei psychischen Leiden liegt bei rund 30 Tagen. Das Betriebsklima, die Führungskultur und familiengerechte Arbeitsplätze sind betriebswirtschaftlich gesehen weiche Faktoren, können aber helfen, psychische Erkrankungen zu vermeiden. Ein Monat Arbeitsausfall ist ein betriebswirtschaftliches Risiko, so dass es sich lohnt, auch hier zu investieren“, so Rebscher. Ein DAK-Versicherter war 2011 durchschnittlich 13,2 Kalendertage krankgeschrieben. Die gute Nachricht: Mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Versicherten (52,2 Prozent) meldete sich 2011 gar nicht krank. Für den Gesundheitsreport hat die DAK-Gesundheit die Krankschreibungen von 2,4 Millionen erwerbstätigen Versicherten mit Hilfe des IGES Instituts aus Berlin ausgewertet.

Schwerpunktanalyse Herzinfarkt

In den Mittelpunkt des Reports stellte die DAK-Gesundheit das Thema Herzinfarkt und Arbeitswelt. Zwar sterben weniger Menschen am Herzinfarkt, jedoch sinkt die Zahl der Krankenhausbehandlungen bei Herzinfarkt seit Jahren nicht mehr. Zudem steigt das Herzinfarktrisiko ab einem Alter von 55 Jahren stark an. Angesichts alternder Belegschaften ist diese Entwicklung auch für die Arbeitswelt relevant. Lag bislang das Augenmerk vornehmlich auf den klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Fettleibigkeit, ist heute beispielsweise bekannt, dass schwere Depressionen das Herzinfarktrisiko um 60 bis 100 Prozent erhöhen.

Um die Verbindungen von Herzinfarkt und Arbeitswelt genauer zu analysieren, hat die DAK-Gesundheit eine repräsentative Befragung von über 3000 Berufstätigen durchgeführt. Der Gesundheitsreport zeigt ein überraschendes Ergebnis: Die in den Medien geführte Debatte um Burn-out und psychische Belastungen am Arbeitsplatz ließe erwarten, dass ein großer Anteil der Arbeitnehmer gesundheitlich stark gefährdet ist. Doch nur knapp jeder zehnte Befragte (9,3 Prozent) leidet unter einer sogenannten beruflichen Gratifikationskrise. Damit wird eine besondere Form von arbeitsbedingtem Stress beschrieben, die durch eine mangelnde Anerkennung im Beruf ausgelöst wird. Eine Gratifikationskrise entsteht, wenn für Beschäftigte die Belohnung nicht mehr im Verhältnis zu ihrer Anstrengung steht. Sowohl das Gehalt wie auch die Anerkennung können hier eine Rolle spielen. Für diesen Personenkreis besteht ein mehr als doppelt so hohes Herzinfarktrisiko. Auffällig ist, dass Gratifikationskrisen je nach beruflichem Status unterschiedlich häufig sind. „Je größer Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sind, um so weniger tritt dieses Problem auf“, erklärt Herbert Rebscher.

Zeitdruck und Arbeitsaufkommen belasten jeden Fünften

In der Befragung ging es unter anderem um Belastungen im Arbeitsalltag und um Aspekte von „Belohnung“ (Gratifikation). Jeder fünfte Befragte fühlt sich stark oder sehr stark durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens belastet. Fast ebenso häufig werden als Stressoren Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsablaufs angegeben. Mit jeweils knapp zehn Prozent werden auch Verantwortung bei der Arbeit sowie die häufige Notwendigkeit für Überstunden als (sehr) stark belastend empfunden. Möglicherweise stehen diese wachsenden psychosozialen Beanspruchungen mit den zunehmenden Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden in Zusammenhang. Geht es um Belohnung, geben die Befragten Folgendes an: Mehr als jeder Fünfte (22,2 Prozent) empfindet eine starke oder sehr starke Belastung, weil er ein Missverhältnis zwischen Bezahlung und erbrachter Leistung sieht. Etwa 17 Prozent fühlen sich sehr belastet, weil Vorgesetzte ihnen zu wenig Anerkennung zukommen lassen. Fast ebenso häufig (15 Prozent) lassen sich Belastungen darauf zurückführen, dass Beschäftigte eine Verschlechterung ihrer Arbeitssituation befürchten oder tatsächlich erfahren.

Soziale Beziehungen im Job können helfen, Stress zu reduzieren. Erfreulich: Im Gesundheitsreport geben rund zwei Drittel der Befragten an, dass das Verhältnis zwischen den Kollegen vertrauensvoll ist. Von Unterstützung des Arbeitgebers, die Beschäftigten vor Stress zu schützen, berichten immerhin 16 Prozent. Demgegenüber werden als negative Stressoren Arbeitsaufgaben genannt, die der Befragte anders erledigen würde, als es seinen Vorgaben entspricht. So geben gut 16 Prozent an, dass sie bei der Arbeit häufig Dinge tun müssen, die sie anders erledigen würden.

Laut Gesundheitsreport arbeitet ein Drittel der Befragten mindestens einmal pro Woche zu Hause. Das Home Office stellt sich dabei nicht grundsätzlich als Risikofaktor für einen Herzinfarkt heraus. Ausschlaggebend für das Belastungsrisiko sind vielmehr die Gründe für das Arbeiten zuhause. Ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt entsteht dann, wenn im Büro die Arbeitsmenge nicht mehr bewältigt werden kann. Beschäftigte, die deshalb einen Teil ihrer Arbeit mit nach Hause nehmen, leiden doppelt so häufig unter dem Missverhältnis von Anstrengung und Belohnung. Sie sind deshalb auch stärker infarktgefährdet. Demgegenüber kann Heimarbeit sogar Arbeitsstress reduzieren, wenn sie im eigenen Interesse stattfindet. Wird beispielsweise zu Hause gearbeitet, um familiäre und private Belange besser mit dem Beruf zu vereinbaren, vermindert dies die Belastung. Ebenso ist das Motiv, sich lange Wegezeiten zu ersparen, mit einem verringerten Risiko für eine Herzinfarkt-Erkrankung verbunden.

Beschäftigte mit einer Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand sehr viel schlechter ein als andere. Fast die Hälfte der Betroffenen sieht dies im Vergleich zu ihren Altersgenossen so. Bei den nicht gestressten Arbeitnehmern sind es nur 17 Prozent. Beschäftigte mit Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand nicht nur schlechter ein. Sie haben tatsächlich auch häufiger gesundheitliche Probleme. Stimmungsschwankungen verbunden mit Angst oder Hilflosigkeit treten bei ihnen dreimal so häufig auf wie bei Beschäftigten, die nicht von Stress betroffen sind (73,8 gegenüber 23,9 Prozent). Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit kommen bei Gestressten fast doppelt so häufig vor. „Obwohl diese Arbeitnehmer um ihr erhöhtes Gefährdungspotential wissen, belegt der Report, dass sie sich nicht stärker um ihre Gesundheit kümmern als andere Beschäftigte. Hier sollten Unternehmen mit ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement ansetzen, um hohe Krankenstände zu vermeiden. Die DAK-Gesundheit unterstützt sie dabei gerne“, so Herbert Rebscher.

Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen im Krankheitsspektrum aller bei der DAK-Gesundheit versicherten Arbeitnehmer mit 21,3 Prozent aller Krankheitstage ganz vorne. An zweiter Stelle folgen die Erkrankungen des Atmungssystems mit einem Anteil von 16,1 Prozent. Verletzungen liegen an dritter Stelle mit 13,9 Prozent. Die psychischen Erkrankungen sind mit 13,4 Prozent die viertgrößte Krankheitsart. An fünfter Stelle stehen Erkrankungen des Verdauungssystems mit einem Anteil von 6 Prozent.

www.dak.de

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