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Ein Plädoyer für die ökofaire Beschaffung

Unser Gastautor Volker Teichert hält ein Plädoyer für die ökofaire Beschaffung und

liefert auch gleich entsprechende Hintergründe, denn der Einsatz von fair gehandelten Produkten bringt nur selten ökonomische Vorteile.

Dr. Volker Teichert, Vorsitzender der Jury Umweltzeichen (Blauer Engel)
Dr. Volker Teichert, Vorsitzender der Jury Umweltzeichen (Blauer Engel)

Die Möglichkeiten, dass öffentliche Verwaltungen ökofaire Produkte einkaufen, haben sich in den zurückliegenden Jahren aufgrund der Veränderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen durchaus positiv entwickelt. Sowohl die Europäische Union als auch die Bundesregierung haben durch gesetzliche Änderungen den Weg eröffnet, soziale und umweltbezogene Aspekte bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Grundlage hierfür bilden folgende rechtliche Vorgaben:

2004: Die Europäische Union erlässt die Richtlinien 2004/17/EC und 2004/18/EC, nach denen soziale und ökologische Kriterien bei Beschaffungs- und Vergabeprozessen berücksichtigt werden können. Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.

2007: Die Bundesverwaltung legt in einem Erlass zur Beschaffung von Holzprodukten fest, dass diese aus legaler und nachhaltiger Waldbewirtschaftung sein müssen.

2008: Auf Bundesebene wird eine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen erlassen. Als Anforderungskriterien können der Blaue Engel, das Europäische Umweltzeichen, Energy Star oder vergleichbare Umweltzeichen herangezogen werden.

2009: Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in dem das Vergabeverfahren neu geregelt wurde, wird novelliert. In § 97 heißt es nunmehr: „Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.“

Bis 2020 verlangt die Bundesregierung in ihrer „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“, die das Bundeskabinett im November 2007 verabschiedet hat, ein Beschaffungs- und Bauwesen, das sich an Standards orientiert, die die Biodiversität erhalten. Anhand dieser rechtlichen Vorschriften wird bereits deutlich, was für Produkte und Dienstleistungen ökofair beschafft werden können.

Zeichen gegen ausbeuterische Kinderarbeit
Zeichen gegen ausbeuterische Kinderarbeit

Das Spektrum reicht von Lieferaufträgen (Kauf, Leasing oder Miete von Verbrauchs- oder Bestandsgütern, beispielsweise Büromöbel, Büromaterial, Leucht- und Reinigungsmittel, IT-Ausstattung) über Dienstleistungsaufträge (wie Reinigung, Catering, öffentlicher Nahverkehr, Planung und Beratung, Abfallentsorgung, Contracting) bis hin zu Bauaufträgen (Bautätigkeit, Instandhaltung, Installationsleistungen, Erschließung von Baugelände, Sanierung). Insgesamt macht das Beschaffungsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen für Güter, Dienstleistungen und Bauaufträge etwa 360 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Sowohl sieben Bundesländer als auch annähernd 150 Rathäuser haben mittlerweile Beschlüsse zur ökofairen Beschaffung gefasst (www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de). So hat das Land Baden-Württemberg eine Verwaltungsvorschrift erlassen, nach der seine Behörden und Betriebe bei der Vergabe öffentlicher Aufträge darauf zu achten haben, dass Sportbekleidung, Sportartikel, Spielwaren, Teppiche, Textilien, Lederprodukte, Billigprodukte aus Holz, Natursteine, Lebensmittel und Blumen ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind. In den Kommunen reichen die Beschlüsse zur ökofairen Beschaffung von Auflagen, nur solche Produkte zu beschaffen, die explizit ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden oder die sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen, bis hin zur Anlage städtischer Vermögen in Form von Mikrokrediten bei „Oikocredit“.

Das neue internationale Fairtrade-Siegel
Das neue internationale Fairtrade-Siegel

Private Unternehmen sind dagegen in ihrer ökofairen Beschaffung nicht an die Vorgaben des öffentlichen Vergaberechts gebunden. Sie können ohne weiteres ihre eigenen Kriterien für die faire und ökologische Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aufstellen. Nur scheinen das bislang die wenigsten Unternehmen getan zu haben. In einer 2008 vorgelegten Studie kommt die Beratungsfirma BrainNet zum Ergebnis, dass sich nach wie vor nur knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen mit „Green Procurement“ beschäftigen, obwohl sich nachweislich aus der Beschaffung von energetisch effizienteren Bürogeräten und Beleuchtungskörpern sowie dem Einkauf von „grünem“ Strom ökonomische Vorteile ergeben. So können durch die Verwendung von energieeffizienten Beleuchtungssystemen Energieeinsparungen von 30 bis 50 Prozent erzielt werden. Bei Bürogeräten sind sogar Einsparungen von mehr als 50 Prozent möglich. Allein in der Zeit, die Bürogeräte im Leerlauf bereit stehen, werden nach Berechnungen des Umweltbundesamtes rund 6,5 Milliarden Kilowattstunden verbraucht. Das entspricht 1,4 Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs und 4,6 Millionen Tonnen CO2. Die Umstellung auf Ökostrom bringt vor allem Einsparungen bei den CO2-Emissionen. Bei den Kosten ergeben sich durchaus noch Zuzahlungen, obwohl in den vergangenen Jahren die preislichen Unterschiede zwischen konventionellem und Strom aus regenerativen Energien kleiner geworden sind.

Anders sieht es bei fairen Produkten aus: Hier muss sich das jeweilige Unternehmen eindeutig positionieren, denn der Einsatz von fair gehandelten Produkten bringt nur selten ökonomische Vorteile. Trotzdem haben sich bereits heute einzelne Unternehmen (z.B. Hewlett-Packard, SAP, Microsoft) dazu entschlossen, etwa fairen Kaffee und Tee für ihre Beschäftigten auszuschenken.

Das Beschaffungsvolumen von öffentlichen Verwaltungen und privaten Unternehmen kann noch erkennbar ökologisiert und nach fairen Bedingungen ausgerichtet werden. Bislang wird nur ein winziger Teil des gesamten Volumens nach ökofairen Aspekten beschafft. In aller Regel haben wir nur einen „Flickenteppich“ mit einigen ersten Ansätzen vorliegen, der allerdings sowohl in den Unternehmen als auch in Bund, Ländern und Kommunen geschlossen werden sollte. Die Möglichkeiten sind vorhanden: Denn der rechtliche Rahmen liegt weitgehend vor, Leitfäden, Ausschreibungshilfen, Berechnungshilfen und Trainings-Module gibt es bereits in ausreichender Anzahl (www.greenlabelspurchase.net), doch es fehlt an der Umsetzung in die konkrete Praxis.

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